Mit Kindle Scout setzt Amazon auf Crowdfunding
Seit dem 27.Oktober 2014 bietet der Online-Händler Amazon in den USA einen neuen Service an. Nutzer des Amazon Ebook-Readers Kindle können auf der offiziellen Website von Amazon über die Veröffentlichung von Manuskripten freier Autoren abstimmen. Bis zu drei Manuskripte können von den Lesern pro Monat nominiert werden. Als Belohnung und Anreiz erhalten die Unterstützer ein Ebook-Exemplar des von ihnen gewählten und veröffentlichten Buches kostenlos. Damit integriert das amerikanische Unternehmen eine Crowdfunding-Funktion in seine Plattform. Das Ziel laut Kindle: direkteren Einfluss der Leser auf die Veröffentlichung von Büchern - und direkterer Einfluss der Leser heisst hier vor allem weniger Einfluss der Verlage.
Wenn man sich den Streit der schon seit längerer Zeit zwischen Amazon auf der einen Seite und Verlagen und etablierten Autoren auf der anderen Seite in Erinnerung ruft, erscheint der Schritt eine Crowdfunding-Funktion in Amazon zu integrieren nur logisch. Wie es zum Beispiel bei Modellen des equity-based Crowdfunding oder beim Crowdlending darum geht, ohne die Zwischenschaltung von Banken an Kapital zu gelangen, so soll es Kindle Scout ermöglichen unbekannte Autoren über die Plattform direkt in Kontakt mit ihrer potentiellen Leserschaft zu bringen - ohne die Zwischenschaltung der Lektorate von Verlagen, die über das Potential der Bücher entscheiden.
Auf diese Weise wird Amazon einerseits selbst zum Verlag, leistet aber nur einen geringen Teil von dessen eigentlichen Aufgaben. So muss einen Teil der Leistung, die sonst ein Verlag stellen würde, wie zum Beispiel die Gestaltung des Covers, der Autor selbst erbringen. Dafür erhalten dieser, wenn es ihm gelingt genügend Unterstützer für eine Veröffentlichung zu gewinnen, einen Vorschuss von 1.500 US-Dollar und einen Fünfjahresvertrag mit Amazon. An den Einnahmen des Ebooks wird er zu 50% beteiligt. Amazon finanziert die Produktion und stellt den Vertrieb und seine Plattform zur Vermarktung zur Verfügung.
Das Integration von Crowdfunding in das eigene Geschäftsmodell hat für Amazon also den Vorteil, dass der Online-Händler den kompletten Wertschöpfungsprozess intern abwickeln kann. Verbunden mit der Vormachtstellung des Unternehmens beim digitalen Buchhandel ist die Zielsetzung klar: indem es gelingt, den traditionellen Verlagen das Wasser abzugraben und talentierte neue Autoren an sich zu binden, sollen jene überflüssig werden. Genau hier ergibt sich auch der Anknüpfungspunkt vieler Diskussionen. Denn unabhängig davon, ob man nun eine Vereinheitlichung des Buchmarktes befürchtet, ist die Frage, ob die Strategie nachhaltig Erfolg hat.
Für unbekannte freie Autoren mögen die Mittel, die sich über die Plattform eröffnen, sich und sein Buch zu vermarkten attraktiv sein. Da die Unterstützer, die vorab kostenlose Exemplare erhalten, diese auch rezensieren können, dürfte sich damit ein nicht unerheblicher Marketingeffekt verbinden. Abzuwarten bleibt jedoch, ob das Wegfallen von Lektoratsfunktionen nicht negativen Einfluss auf die Qualität und damit auch auf den langfristigen Erfolg hat.
Hier entscheiden schließlich die Konsumenten, das heisst, die Leser. Schließlich entscheiden diese auf der Basis kurzer Auszüge. Eine große Anzahl letztendlich schlecht gemachter enttäuschender Bücher, dürfte sich schnell negativ auswirken. Daher hängt der Erfolg einerseits davon ab, wieviele tatsächliche Talente sich an Amazon binden und, ob andererseits bestehende Verlage dazu fähig sind auf ein Phänomen wie Crowdfunding zu reagieren. Klar ist, dass Crowdfunding dafür sorgen kann, dass es auf dem Buchmarkt spannend bleibt.