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Token Economy: Kommt bald das Ende von Fiat?

Ob als Utility Token mit Bonus- und/oder Berechtigungsfunktion oder digitales Abbild klassischer Vermögenswerte - seit Einführung der Blockchaintechnologie können Besitzverhältnisse, Berechtigungen aber auch Waren und Dienstleistungen mithilfe von Token völlig neu abgebildet werden. Welchen Einfluss hat dies auf althergebrachte Machtverhältnisse? Wie profitieren Unternehmer von der Digitalisierung klassischer Vermögensanlagen? Und wie sieht er eigentlich aus, Ihr erster selbst erstellter Token?

ERC 20

Was ist ein Token und welche Werte können tokenisiert werden?

Am vergangenen Montag hat die Token Taxonomy Initiative, ein Branchennetzwerk der Crypto Economy die Veröffentlichung des Token Taxonomy Framework (TTF) V 1.0 bekanntgegeben. Der Verbund aus u.a. Microsoft, Intel, IBM und Ethereum setzt damit den Startschuss für eine standardisierte Erstellung von Token, die Unternehmen z.B. mit der ebenfalls in dieser Woche veröffentlichten Microsoft Azure Blockchain Token Plattform ganz ohne spezielle Entwicklerkenntnisse von nun an offen stehen soll. Aber was genau sind Token und welche Werte können tokenisiert werden?

Als Token bezeichnet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin die “digitalisierte Form von Vermögenswerten”. Dabei werden einem Token “eine bestimmte Funktion oder ein bestimmter Wert zugesprochen”, in prinzipiell “weitreichenden Einsatz- und Erscheinungsformen”. Als Tokenisierung bezeichnet man “die digitalisierte Abbildung eines (Vermögens-)Wertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit”.

Doch die vermögensrechtliche oder geldwerte Funktion, die ein Token einnehmen kann ist bei weitem nicht die einzige. Unter den fast 2000 Cryptowährungen, die am Markt gehandelt werden, repräsentieren die meisten im Kern Waren oder Dienstleistungen. Die Bandbreite der Token-Funktionalitäten erstreckt sich über

  • Token als digitale Entsprechungen eines Wirtschaftsguts oder Vermögenswertes
  • Token als Berechtigungsschlüssel in Netzwerken
  • Token als Entsprechungen für Dienstleistungen
  • Token für Authentifizierungszwecke

Der Begriff des Token bezeichnet in der Informatik Hilfsmittel zur Identifizierung und Authentifizierung. Blockchainbasierte oder kryptografische Token funktionieren im Kern wie ein digitaler Fingerabdruck, der Rechte und Pflichten über ein vereinbartes Gut abbildet.

Man unterscheidet im Kern zwischen

fungible Token

  • mit den gleichen Merkmalen ausgestattete und handelbare Token
  • z.B. ERC-20 Token Standard für Smart Contracts auf der Ethereum Blockchain

non-fungible Token

  • mit individuellen Rechten ausgestattete nicht übertragbare Token; nicht handelbar
  • z.B. ERC-721 Standard für die Herstellung von NFTs

Wie sieht eine tokenisierte Wirtschaft aus?: Vorteile der Tokenisierung

Durch ihre vielfältigen Möglichkeiten der Wertzuschreibung werden Token in Zukunft klassische Fiat-Währungen im digitalen Handel zwar nicht ersetzen, aber in ihrer Vormachtstellung auf jeden Fall unterlaufen. Was 2016/2017 mit dem ICO-Run startete, hat sich längst mit neuen Geschäftsmodellen aus den Bereichen Online Marketing (Brave-Browser und BAT-Token), dem digitalen Handel mit klassischen Vermögensanlagen, neuen Investitionsformen (Brickblock und Neufund) oder im Identitätsmanagement (Concordium) etabliert.

Token Taxonomy Initiative: Standardisierte Token mit dem Token Taxonomy Framework

Die größte Herausforderung für eine breite ökonomische Nutzung der Tokenisierung sind bislang fehlende plattformübergreifende Standards oder schlicht mangelndes Entwickler-Know-how in den Unternehmen. Beides adressiert die Token Taxonomy Initiative. Der Zusammenschluss aus crypto-affinen Unternehmen widmet sich der Entwicklung eines Unternehmensstandards für Token mit austauschbaren währungsähnlichen Eigenschaften oder einzigartigen Vermögenswerten.

Zu den Mitgliedern der Initiative zählen Unternehmen wie Accenture, Adhara, Banco Santander, Blockchain Research Institute, Clearmatics, ConsenSys, Digital Asset, Envision Blockchain, EY, Hedera Hashgraph, IBM, Intel, ioBuilders, Itau, J.P. Morgan, Komgo, Microsoft, R3, and Web3 Labs u.a.

Am 4. November gab TTI nun den Token Taxonomy Framework bekannt: Ob Tickets, Dokumente, Aktien, Treuepunkte oder andere Produkte und Dienstleistungen - das Token Taxonomy Framework ist der Schlüssel, der die standardisierte Verwendung von Token in Netzwerken ermöglichen soll. Mithilfe standardisierter Begriffe und Definitionen des TTF können Unternehmen und Entwickler tokenbasierte Systeme verstehen und erstellen, “um die nächste Generation von tokenbasierten Geschäftsgütern und -dienstleistungen universell zu gestalten - ohne dass Kenntnisse der Fachsprache oder der Codierung der Branche erforderlich sind.” - So die offizielle Pressemitteilung des TTI-Konsortiums vom 4.11.2019.

Im Kern soll das Framework Benutzern gestatten, jedweden ihrerseits gewünschten neuen Tokentyp aus einer Reihe wiederverwendbarer, branchenübergreifender Komponenten zu erstellen, einschließlich vorhandener Tokendefinitionen und der Möglichkeit diese auf spezifische Geschäftsmodelle anzuwenden.

Marley Grey, Vorsitzender der Token Taxonomy Initiative, Vorstandsmitglied der EUA und Principal Architect bei Microsoft fasst Sinn und Zweck der Standardisierung zusammen:„Egal, ob es sich um ein Ticket, Dokumente zur Lieferkette, Bestände, Eigentumsrechte, Treuepunkte oder andere noch nicht erdachte blockchain-basierte Produkte und Dienstleistungen handelt, die Verwendung von Token sollte plattformübergreifend möglich sein. Wenn wir die Vorteile der Collaboration-Plattformen voll ausschöpfen möchten, müssen plattformübergreifende Transaktionen miteinander kommunizieren können. Standards sind der Anfang, und dieses Framework ermöglicht die Erschließung des ungenutzten Potenzials von Tokens in der Blockchain."

Das Token Taxonomy Framework besteht im Kern aus

  • einem gemeinsamen Satz von Konzepten und Begriffen, die von Geschäfts-, technischen und behördlichen Teilnehmern verwendet werden können
  • einem Kompositionsframework zum Definieren und Erstellen von Token
  • einer Token Classification Hierarchy (TCH), die einfach zu verstehen ist
  • einer Definition von Token und ihrer Anwendungsfälle in verschiedenen Branchen
  • wiederverwendbaren Beispiel- und Real-World-Token-Spezifikationen, portierbar für Definitionen von Adhara, ConsenSys, Digital Asset, der Enterprise Ethereum Alliance (EEA), IBM, ioBuilders, Microsoft und R3
  • Links zu codierten Beispielen in verschiedenen Sprachen für eine breite Adaption

Token nach Maß und für jeden Zweck: Microsoft Azure Blockchain Token Plattform

Synchron zum ersten Schritt in eine breite Token-Wirtschaft kündigte TTI-Mitglied Microsoft in dieser Woche die Azure Blockchain Token Plattform an. Unternehmen sollen hier anhand umfangreicher SDKs TTF-konforme Token leicht erstellen können. Azure stellt hierfür eine Reihe vorgefertigter Vorlagen zur Verfügung, gestattet aber gleichzeitig Flexibilität, um eigene Vorlagen basierend auf den TTF-Standards erstellen und in individuelle Systeme integrieren zu können.

Die Entwicklung der Plattform beruht auf einer gemeinsamen Initiative von Microsoft und anderen Unternehmen wie IBM, R3, Digital Asset und der Enterprise Ethereum Alliance. Diese Zusammensetzung spiegelt eines der wichtigen Ziele der Plattform wider - die Interportabilität und Zusammenführung etablierter Blockchain Projekte – wie z.B. Ethereum, R3 oder IBM-basierte Entwicklungen.

Tokenisierung und die Token Economy: Fazit

Mit der Einführung des ERC-20 Standard wurde bereits ein wichtiger Schritt getan vom Übergang einer Plattform-dominierten Digitalwirtschaft (Web 2.0) hin zu einer tokenbasierten Digitalwirtschaft ohne Intermediäre (Web 3.0). Initiativen wie die Token Taxonomy Initiative und der TTF-Standard stellen nun die Weichen für eine breitere Adaption.

Hintergründe und eine Preview, wie genau Sie Ihre Token TTF-konform oder auf der Microsoft Azure Blockchain Token Plattform erstellen können, finden Sie hier.

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Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.