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First In Last Out: Corona-Hilfen für Veranstalter

Lockdown, Restart, Lockdown? Die Veranstaltungswirtschaft bangt um ihre Existenz und fordert verbesserte Corona-Hilfen. Darauf hast du Anspruch. Nach einer dem Virus angepassten Freiluftsaison, drohen neue Risiken im Herbst. Keine Weihnachtsmärkte, Tanzlustbarkeitsverbot, A-H-A-Regeln in geschlossenen Räumen: Die Resilienz von Deutschlands sechstgrößtem Wirtschaftszweig wird geprüft.

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Die goldenen Schuhe und das Tanzlustbarkeitsverbot

#ALARMSTUFEROT: Tanzen auf Tischen nur mit Lustbarkeitsverbot

Das Jahr 2020 steht im Zeichen des SARS-CoV-2 Virus als Auslöser der sich weltweit rasch ausdehnenden COVID-19-Viruserkrankung. Aktuell kritische Stimmen zum Krisenmanagement der Bundesregierung lassen zuweilen vergessen, was nunmehr seit fast 7 Monaten Alltag in der Neuen Normalität geworden ist. Wir erinnern uns:

Am 27./28. Februar tagte der neu eingerichtete Krisenstab der Bundesregierung zum ersten Mal. Am 18. März sprach Bundeskanzler Angela Merkel (CDU) in einer Fernsehansprache im Zusammenhang mit dem Virus und dessen Bekämpfung von einer Herausforderung von "historischem Ausmaß." Die Schweiz verbietet zu diesem Zeitpunkt bereits Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen. Messen werden abgesagt. Am 22. März einigten sich Bund und Länder als Reaktion auf die Ausbreitung des Virus auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in Deutschland (1. Lockdown). Verlängert wurden diese am 1. April bis zum Ende der Osterferien am 19. April 2020 mit anschließend vorsichtigen Lockerungen und Teilöffnungen in Handel und Gastronomie.

Der Corona-Sommer mit Open-Airs und spontanen Pop-Up-Veranstaltungen stimmte in Teilen versöhnlich. Nun kratzt man vielerorts in Deutschland an der Marke der festgelegten Begrenzung von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Man muss nicht erst zu den europäischen Nachbarn schauen, um das Drohen eines neuerlichen Lockdowns als realistisch wahrzunehmen. Ein Szenario, das für viele Unternehmen der Eventbranche das endgültige Aus bedeuten könnte.  

Systemrelevanz: Veranstaltungsbranche wehrt sich gegen Ungleichbehandlung

"Die ersten Unternehmen kündigen an, dass sie die nun beschlossene weitere Verlängerung der Restriktionen im Veranstaltungsgeschäft bis Ende des Jahres wirtschaftlich nicht überleben werden. Mit nahezu 160.000 Erwerbstätigen sind in dem Wirtschaftszweig (Anm. der Red.: BDKV-Branchen) mehr Menschen als in jeder anderen Branche der Medienwirtschaft tätig – mehr als bei Zeitungsverlagen oder der Filmwirtschaft und übrigens gerade mal rund 10.000 Beschäftigte weniger als bei der Deutschen Lufthansa weltweit tätig sind." 

(Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft BDKV, 09/20)

Der Verweis von Michow ist legitim, folgt man gleichzeitig der aktuellen Führungspolitik von Lufthansa Konzern-Chef Spohr, der trotz Milliarden-Rettungspaket nur wenige Wochen nach dessen Beschluss weitere massive Stellenentlassungen ankündigte. Von einem systemrelevanten Unternehmen erwartet der Steuerzahler zurecht eine Planungssicherheit, die über das aktuelle Quartal hinausgeht. 

First In Last Out: Eventbranche spürt Folgen der Krise am intensivsten

First In Last Out: Die Krise der Veranstaltungswirtschaft ist eng verknüpft mit den Abstands- und Hygieneregeln, die für eine erfolgreiche Bekämpfung des Virus notwendig sind. In einem Wirtschaftszweig, der nur bedingt virtuell abgebildet werden kann und im Kern sozial ausgerichtet ist, stößt Resilienz an infrastrukturelle Grenzen. Hinzu kommt die Uneinheitlichkeit behördlicher Bestimmungen, die Veranstaltern kaum Planungsspielräume für z.B. Tourneen und Ticketverkäufe lassen. Der nahende Herbst macht indes Clubbesitzern zu Recht Sorge. Nur mit sorgfältigem Hygienekonzept, weiteren Investitionskosten und der Gunst des Publikums kann man kleinere Events durchführen und die Corona-Freiluftsaison verlängern.

#ALARMSTUFEROT: Sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands retten

Während der Protestaktion Night of Light 2020 strahlten deshalb in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni bundesweit stellvertretende Bauwerke in gleißendem Rot, um auf die dramatische Situation in der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen. Über 40.000 Mitwirkende aus mehr als 8.000 Unternehmen beteiligten sich an der Aktion. Am Demonstrationszug des Aktionsbündnisses in Berlin am 9. September 2020 nahmen zuletzt über 15.000 Mitarbeiter und Vertreter des Veranstaltungswesens teil, um noch einmal ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. 

Zu den Initiatoren von #ALARMSTUFEROT zählen u.a. der Fachverband Messe- und AusstellungsBau FAMAB, der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik VPLT,  die Interessengemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft e.V. ISDV, der Berufsverband Discjockey e.V. BVD, LiveMusikKommission e.V. Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V. (LiveKomm) sowie der Deutsche Schaustellerbund e.V. DSB. 

Sie allesamt vertreten Unternehmen und deren Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Branchen, darunter Eventagenturen, Veranstaltungstechniker, Konzert- & Bookingagenturen, Konzertveranstalter, Bühnen- und Messebauer, Speditionen, Veranstaltungsgastronomen und Cateringbetriebe, Non-Food-Catering, Security-Firmen, Künstler, Moderatoren sowie Dekorateure und Schausteller.

Deutschlands sechstgrößter Wirtschaftszweig verantwortet jährlich 130 Mrd. Euro Umsatz und beschäftigt mehr als 1 Mio. Menschen, bündelt man alle vertretenen Berufszweige. Das von der Regierung verhängte Veranstaltungsverbot entspricht de facto einem Berufsverbot für die genannten Branchenvertreter. Widerstand gegen diese Politik, die faktisch jede Arbeitsgrundlage entzieht, wird zunehmend juristisch geltend gemacht. Doch die Entscheidung darüber, ob Betriebsschließungen und behördliche Maßnahmen verhältnismäßig erfolgten, erfordert Sorgfalt, Ausdauer und Kooperation.

Corona-Hilfen: Diese 6 Maßnahmen fordert die Eventbranche

Das Aktionsbündnis #ALARMSTUFEROT hält insgesamt sechs Maßnahmen für sinnvoll und zielführend, um die Veranstaltungswirtschaft zu retten. Nur teilweise konnten diese in einem lange vergeblich angeregten Branchendialog umgesetzt werden, nachdem die Initiatoren ihre Forderungen Anfang September der Bundesregierung übergaben. Die geforderten Maßnahmen im Überblick:

  1. Verbesserte Überbrückungshilfen: Anpassung der Überbrückungshilfen mit verlängerten Laufzeiten orientiert am österreichischen Modell (vgl. Deklaration zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft; Anlage 4, S.14/17 im PDF)
  2. Verbesserte Kreditprogramme: Laufzeiten bis zu 15 Jahren, erleichterte Rückzahlungsbedingungen und "Abmilderung der überzogenen Rating-Anforderungen"
  3. Gezielte Hilfen gegen eine massenhafte bilanzielle Überschuldung: Trotz aller bisherigen Hilfen verbleibt den Unternehmen laut Fachverbänden ein hoher Sockelbetrag an Fixkosten, die nicht eingespart werden könnten. Deshalb entstehe in den betroffenen Unternehmen schnell eine bilanzielle Überschuldung, die unter aktuellen Möglichkeiten nicht abwendbar sei und zwar konkret bei 80% der Unternehmen bis zum Jahresende. Je Krisenmonat wird deshalb die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags um ein Jahr, mindestens jedoch auf fünf Jahre gefordert: "Das Mittel der Wahl hierfür ist der steuerliche Verlustrücktrag, der durch § 10d EstG vorgesehen ist und für die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer gleichermaßen gilt.“ (Bofinger et al.: Wirtschaftliche Implikationen der Corona‐Krise und wirtschaftspolitische Maßnahmen, 10.03.2020). 
  4. Ausweitung der Regeln für Kurzarbeit: Mitarbeiter sollten trotz 100% Kurzarbeitergeld in ihren Unternehmen für notwendige Tätigkeiten arbeiten dürfen. Es müsse möglich gemacht werden, Mitarbeiter trotz Kurzarbeitergeldleistung teilweise arbeiten zu lassen, um wichtige Innovations- und Umweltprojekte, Prozessoptimierungen und Projektplanungsleistungen für eine notwendige Umsatzerholung anzustoßen, die die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen sicherte (Bsp. Luxemburg, Wiedereingliederungszuschuss für alle Beschäftigten). 
  5. "Befristeten Rahmen" der EU ausschöpfen: Der "Befristete Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19" der EU-Kommission soll weiter ausgeschöpft werden. Gefordert werden direkte Hilfen für alle Unternehmensgrößen in der Veranstaltungs- und Messewirtschaft entsprechend der europäischen Leitlinie. Außerdem sollten Hilfen auch für Unternehmen, die sich bereits vor dem COVID-19-Ausbruch in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben, entsprechend den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien der EU-Kommission angeboten werden.
  6. Aufnahme von Gesprächen im Rahmen eines Branchendialogs: Um die dramatische Lage der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland gemeinsam zu erörtern, fordern die Verbände individuelle Verhandlungen mit der Bundesregierung.

Überbrückungshilfen Phase 2, #NEUSTARTKULTUR und Konjunkturpaket

Worauf Barbesitzer, Clubbetreiber, Veranstalter, Eventagenturen, Künstler, Messebauer und Schausteller drängen und was sie realistisch erwarten können, geht deutlich auseinander. Doch die Zusammenarbeit der Branche hat sich in Teilen ausgezahlt. Der Bund verlängert bereits beschlossene Hilfen und bessert auch inhaltlich nach. Was gilt und was kommt: Das musst du wissen.

Corona-Schutzschirm und #NEUSTARTKULTUR

Die im März verabschiedeten Corona-Hilfen der Bundesregierung waren der Auftakt zu einem in der bundesdeutschen Geschichte einmaligen Rettungspakets für die deutsche Wirtschaft. Ein besonderes Rettungsprogramm für die Kulturbranche wurde außerdem mit NEUSTART KULTUR auf den Weg gebracht, das bis Ende 2021 rund eine Milliarde Euro zusätzliche Hilfen für Unternehmen der Kulturwirtschaft bereitstellt. Die Mittel des Programms können u.a. für Investitionen, Personalkosten oder die Erstellung digitaler Kulturangebote genutzt werden. 

Kurzarbeitergeld, Sozialschutzpaket und Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Es gelten für sämtliche Veranstaltungsunternehmen und Freiberufler die im August 2020 verbesserten Konditionen der Corona-Hilfen des Konjunkturpakets. Die befristete Mehrwertsteuersenkung für gastronomische Betriebe - teilweise in doppelter Hinsicht entlastend - gilt noch bis zum 30. Juni 2021.

Phase 2 der Überbrückungshilfen für September bis Dezember 2020

Nicht wie von der Veranstaltungswirtschaft gefordert - unbürokratisch und für ein ganzes Jahr, aber mit deutlich niedrigerer Hemmschwelle und erhöhten Förderbeträgen startet jetzt die Phase 2 der Überbrückungshilfen. Ab Oktober kannst du als kleines Unternehmen deinen Antrag auf Überbrückungshilfe für die Monate September bis Dezember 2020 gemeinsam mit deinem Anwalt stellen und nicht wie bislang gefordert ausschließlich in Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsprüfer. Außerdem wurde die Deckelung der Förderung für Unternehmen bis zehn Beschäftigte von bislang maximal 15.000 Euro ersatzlos gestrichen! Der Anteil förderfähiger Fixkosten steigt in Phase 2 ebenfalls und bis zu maximal 90% erstattungsfähiger Fixkosten.

Unbefriedigend nach wie vor die Nichtberücksichtigung eines Unternehmerlohns im Programm der Überbrückungshilfen und damit weiterhin der Verweis auf das System der erleichterten Corona-Grundsicherung für z.B. selbstständige Musiker.

#ALARMSTUFEROT: Weiterführende Informationen und Kontakt

Wenn du aktuelle Informationen zum Stand des Dialogs mit der Bundesregierung erhalten willst sowie regelmäßige News aus deiner Branche, vernetze dich mit den Initiatoren von #ALARMSTUFEROT. Im Aktionsbündnis sind die wichtigsten Fachverbände der Veranstaltungswirtschaft organisiert.

Finde Hilfen und Tools für die Veranstaltungswirtschaft

Überbrückungshilfen: Bund verlängert und bessert nach

Die Corona-Überbrückungshilfe wird unter besseren Bedingungen fortgesetzt. Gesenkte Zugangsvoraussetzungen, erhöhte Fördersätze: Das musst du wissen. Es gelten höhere Förderbeträge für kleine und Kleinstunternehmen, die Aufhebung der Begrenzung der Förderung für Unternehmen bis zehn Beschäftigte und auch dein Anwalt darf jetzt Antragsteller sein.

NEUSTART KULTUR: Was steckt im Rettungspaket?

Das Rettungspaket NEUSTART KULTUR stellt bis Ende 2021 rund eine Milliarde Euro zusätzliche Mittel für Unternehmen der Kulturwirtschaft bereit. Die Mittel des Programms können u.a. für Investitionen, Personalkosten oder die Erstellung digitaler Kulturangebote genutzt werden. Clubbetreiber, Konzerthausveranstalter oder Theaterbetriebe zählen zum Kreis der förderberechtigten Institutionen.

Corona-Winter trotzdem gemütlich: "Killerpilz" soll helfen

Gastronomen dürfen in vielen Kommunen kostengünstige aber umweltschädliche Heizstrahler nicht benutzen. Im Corona-Winter 2020 soll das anders sein. Vertreter von CDU, FDP bis Grüne sind sich einig: Geltende Verbote sollten bis zum Frühjahr 2021 ausgesetzt werden. Diese und weitere Maßnahmen sollen das befürchtete Gastro-Sterben verhindern.

Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.

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