Betriebsprüfung: Wenn das Finanzamt zweimal klingelt
Es gibt einige allgemeine Anhaltspunkte und individuelle Indizien, die darüber Auskunft geben, ob und wann dein Unternehmen möglicherweise Gegenstand einer Betriebsprüfung wird.
Regelmäßig im Laufe eines Geschäftsjahres gilt dies für Großbetriebe. Als Großbetriebe sind Unternehmen definiert, deren Umsatz oder steuerlicher Gewinn bestimmte Grenzen überschreiten: (BMF, Schreiben v. 13.4.2018, Az. IV A 4 - S 1450/17/10001)
Als Richtwerte gelten für
- Handelsbetriebe: Umsätze über 8,6 Mio. EUR oder ein steuerlicher Gewinn von mehr als 335.000 EUR
- Herstellungsbetriebe: Umsätze über 5,2 Mio. EUR oder ein steuerlicher Gewinn von mehr als 300.000 EUR
- andere Leistungsbetriebe: Umsätze über 6,7 Mio. Euro oder ein steuerlicher Gewinn von mehr als 400.000 Euro
Sollte dein Unternehmen keinen solchen Umsatz erwirtschaften, dann gilt für dich das Zufallsprinzip bzw. starke Abweichungen von als regulär eingestuften Angaben.
Es gibt weitere Indizien für eine anstehende Betriebsprüfung und zwar dann, wenn dein Steuerbescheid folgenden Passus enthält:
“Dieser Steuerbescheid ergeht nach § 164 Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung"
Da das Finanzamt im Zuge einer Betriebsprüfung drei zusammenhängende Steuerjahre abfragt, kannst du in diesem Fall damit rechnen, beim übernächsten Steuerbescheid die Ankündigung für eine demnächst durchgeführte Prüfung zu erhalten.
In der Regel kündigt das Finanzamt Betriebsprüfungen an. Bei diesen steuerlichen Außenprüfungen werden die letzten 3 Jahre, für die Sie eine Steuererklärung abgegeben haben, anhand aller Unterlagen überprüft. Du wirst in diesem Fall vor dem Prüfungsbeginn schriftlich per Prüfungsanordnung informiert. Die Prüfungsanordnung enthält Informationen zum Prüfungsbeginn, zum Prüfungsumfang (Jahre und Steuerarten), zum Prüfungsort und zur Person des Prüfers.
Als Richtwerte gelten
- für Großbetriebe: zwischen Ankündigung und Prüfungsbeginn liegen mindestens 4 Wochen
- KMU: zwischen Ankündigung und Prüfungsbeginn liegen mindestens zwei Wochen
Unangekündigt kommen die Prüfer im Fall von
- Lohnsteuernachschau
- Umsatzsteuernachschau sowie
- Kassennachschau (seit 2018; zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben)
Großbetriebe werden jedes Jahr geprüft. Für KMU gelten Richtwerte zwischen 10-50 Jahren. Man kann also alle 10-20 Jahre mit einer Prüfung rechnen, die nicht außerplanmäßig und unangekündigt ist. Wenn geprüft wird, nimmt das Finanzamt Zeiträume von im Schnitt 3 bis 5 Jahren unter die Lupe.
Zeig dich kooperativ bzw. proaktiv, denn je später Steuernachzahlungen für vergangene Steuerjahre festgesetzt werden, umso mehr Nachzahlungszinsen fallen an. Diese liegen aktuell bei 6% im Jahr. Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit noch, ob es sich laut eingegangener Beschwerden hierbei um eine “verfassungswidrige Abgabe" handelt und will noch in diesem Jahr darüber einig werden.
Erfolgt eine Prüfung außerplanmäßig, sind zumeist folgende Gründe ausschlaggebend:
- Du wurdest anonym angezeigt.
- Unplausible Angaben zu deinen Gewinnermittlungen machen die Prüfer aufmerksam.
- Es gibt Unstimmigkeiten zwischen der Außendarstellung und deinen Angaben: z.B. beim Handel auf Verkaufsplattformen (Der Bundesfinanzhof hat es erlaubt, dass Finanzämter Sammelauskunftsgesuche an Betreiber von Online-Handelsplattformen wie zum Beispiel ebay stellen dürfen.)
- Du unterhältst Finanzkonten im Ausland; seit 2017 erhält die deutsche Finanzverwaltung Daten aus mittlerweile mehr als 100 Staaten weltweit durch die Vereinbarung eines gemeinsamen Meldestandard CRS (Common Reporting Standard). Die erste Meldung erfolgte im Jahr 2017 für den Meldezeitraum 2016. Seit 2017 werden die Daten jährlich gemeldet.
- Dein Unternehmen agiert international und wird im Rahmen eines Joint-Audit der Finanzbehörden überprüft.
- Im Zuge der Prüfung anderer Unternehmen wird das Finanzamt auf dich als B2B-Kunde etc. aufmerksam.
- Deine Rechnungen, die du als Handwerksbetrieb an Privatkunden gestellt hast, tauchen als steuerlich absetzbare Leistungen nach § 35a EStG für Arbeiten im Privathaushalt in der Steuererklärung deiner Kunden auf. Jetzt kann das Finanzamt stichprobenhaft deine Betriebseinnahmen und die Angaben deiner Kunden in der Steuererklärung auf Abweichungen hin überprüfen.
Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) hat in ihrer aktuellen Studie zur Praxis der Betriebsprüfungen in Deutschland 4 Hauptgründe identifiziert, die maßgeblich zu einer Steuernachzahlung in den geprüften Unternehmen führten:
- Unplausible Angaben zu Ausgaben für Bewirtungskosten und Geschenke führten in der Hauptsache zu Steuernachzahlungen (73,1 Prozent).
- Die falsche Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen wurde am zweithäufigsten abgestraft (70,6 Prozent) z.B. aufgrund von Fehlern bei der Ermittlung von Anschaffungs- und Herstellungskosten und planmäßigen Abschreibungen.
- Fehlerhafte Rückstellungen (68,6 Prozent) insbesondere bei Garantierückstellungen, Aufwandsrückstellungen, Rückstellungen für Prozessrisiken, Instandhaltungsrückstellungen und Pensionsrückstellungen führten ebenfalls häufig zu Nachzahlungen.
- Verdeckte Gewinnausschüttungen sind mit 46,7 Prozent aller Fälle ein ebenfalls nicht unerheblicher Nachzahlungsgrund.
Generell hat laut PwC außerdem die Zahl der Umsatzsteuerprüfungen zugenommen. Im Jahr 2015 gaben 42% der befragten Unternehmen an, Gegenstand einer solchen Prüfung gewesen zu sein. 2018 waren es bereits 72% der Umfrageteilnehmer.
Als KMU kannst du einiges tun, um außerplanmäßige Betriebsprüfungen zu vermeiden:
- Sei steuerlich unauffällig!
- Mache möglichst viele Angaben zu Gewinnermittlungen und denke immer an den Grundsatz der “Plausibilität”!
- Halte dich an Termine und Fristen!
- Zahl deine Steuern pünktlich!
Du hast dich bestmöglich buchhalterisch verhalten und dennoch steht dir eine Betriebsprüfung unmittelbar ins Haus? Bleib gelassen und sei vorbereitet: Präsentiere deine Abrechnungsbelege am besten digital. Das führt im günstigsten Fall zu wohlwollender Stichprobe des Prüfers und einem Kurzbesuch. Vermeide ein Zettelchaos!
Bei unangekündigten Sonderprüfungen musst du folgende Unterlagen immer griffbereit haben:
Umsatzsteuernachschau:
- Import-/Exportbelege
- USt-ID-Nummern der Geschäftspartner sowie deren Bestätigungen
- Eingangsrechnungen
- Voranmeldungen
- Buchungen
Kassennachschau:
- Datenexport der Kassendaten
- Datenbeschreibungen
- Steuerschlüssel
- Programmierprotokolle
- Verfahrensdokumentationen
Im Falle angekündigter Außenprüfungen hast du mindestens 2 Wochen Zeit, um alle erforderlichen Unterlagen bereitzustellen. Der Gesetzgeber unterscheidet hier 3 Formen des Zugriffs, Z1-Z3:
- Z1: Du musst dem Prüfer Zugang zu deinem System via PC geben. Er kann alle steuerbezogenen Daten extrahieren, die er will. (strengste Form)
- Z2: Dein Unternehmen benennt einen Mitarbeiter, der mit dem Prüfer zusammenarbeitet und ihm alle gewünschten Unterlagen und Formate bereitstellt. (abgeschwächte Form)
- Z3: Du behältst die Ausübungshoheit und stellst dem Prüfer die gewünschten Daten via separatem Datenträger (CD, DVD, USB-Stick) zur Verfügung. Notwendig sind hier eine Datensatzbeschreibung (z. B. in einer „Index-xml“-Datei) und der Export in ein Datenformat, welches die maschinelle Auswertbarkeit (Sortieren, Filtern, s.o.) nicht einschränkt. Reine PDF-Formate sind in der Regel nicht ausreichend.
Du oder der Ansprechpartner, den du für die Prüfung im Unternehmen gewählt hast, arbeiten dem Prüfer zunächst alle geforderten Unterlagen je nach Vorgabemodus zu. Bei Beanstandungen des Prüfers müssen du und dein Steuerberater um eine Schlussbesprechung bitten. Hier kann deinerseits auch noch einmal auf einen beabsichtigten Einspruch hingewiesen und damit eine für beide Seiten dienliche Abkürzung des Verfahrens forciert werden. Auch deinem Prüfer ist an einem schnellen Abschluss gelegen.
Laut PwC-Befragung ist das Klima während der Betriebsprüfungen deutlich weniger “freundschaftlich-entspannt” (21% der befragten Unternehmen) als noch im Jahr 2015 im Rahmen der letzten Befragung. Hier empfanden noch 49% der Befragten die Situation als solche. Wie verhältst du dich am besten während einer Betriebsprüfung? - ein kleiner Verhaltensknigge:
- Behandle deinen Prüfer höflich und sachlich-neutral.
- Vermeide Vertraulichkeiten und beantworte keine vermeintlich unverfänglichen Fragen zu deinen Hobbys, dem letzten Urlaub oder dergleichen mehr. Schlimmstenfalls werden Antworten gegen dich verwendet werden.
- Weise deine Mitarbeiter, die keine Ansprechpartner für den Prüfer sind, auf Stillschweigen hin.
- Stelle dich oder den gewählten Ansprechpartner voll zur Verfügung und übermittle alle Unterlagen zeitnah.
- Bitte den Prüfer bei Beanstandungen um eine Schlussbesprechung. Bitte im gleichen Zug darum, dass etwaige Feststellungen des Prüfers schriftlich vorab mit Fundstelle und mit Höhe der Steuernachzahlung mindestens eine Woche vor der Schlussbesprechung mitgeteilt werden. So hast du genügend Zeit, um mit deinem Steuerberater eine adäquate Kompromisstrategie zu entwickeln.
Die Schlussbesprechung dient traditionell einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien. Diese kann hier erzielt werden, muss aber nicht.
Welche Vorteile hat eine Schlussbesprechung für dich?
- An der Schlussbesprechung muss der Vorgesetzte des Prüfers teilnehmen. Erfahrungsgemäß kommt es in dieser Konstellation zu schnelleren Einigungsergebnissen.
- Die Schlussbesprechung ist Gelegenheit für eine Neubewertung aller Feststellungen und anschließende Neudiskussion. Dies ist die Stunde der gezielten Argumentation deines Steuerberaters!
- Handle mögliche Kompromisszenarien aus: Dein Pfund ist der Einspruch gegen alle festgestellten Forderungen. Diesen kannst du bei teilweisem Entgegenkommen des Prüfers als hinfällig in Aussicht stellen.
Eine strukturierte am besten faktorisierte Buchhaltung ist die Grundlage sachgemäßer Steuermitteilungen. Stellst du dies in einem ersten Schritt sicher, hat der Gesetzgeber abseits zufällig ermittelter Stichproben-Prüfungen wenig Anlass auf dich aufmerksam zu werden. Sofern du nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hast, kannst du auch im Fall festgesetzter Nachzahlungen immer das Gespräch suchen und anhand der genannten Leitlinien mögliche Kompromisse erzielen.
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