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Creditreform-Studie: Droht eine Welle der Insolvenzen?

Creditreform warnt vor einer drohenden Pleitewelle in Deutschland. Aktuell rückläufige Insolvenzzahlen dürften darüber nicht hinwegtäuschen. Welche Umstände die tatsächliche Situation kleiner und mittlerer Unternehmen verschleiern und was für deren Gesundung zwingend erforderlich ist, analysieren die Wirtschaftsforscher in ihrer aktuellen Studie.

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Droht eine Insolvenzwelle in Deutschland?

Taugt das Insolvenzgeschehen in Deutschland noch als Seismograph der ökonomischen Entwicklung?

Erst am Mittwoch hat das Bundeskabinett den zweiten Nachtragshaushalt beschlossen, um die Folgen der Corona-Krise für deutsche Unternehmen weiter abzumildern. Damit steigen die für 2020 geplanten Verbindlichkeiten auf 218,5 Milliarden Euro. Trotz des pandemiebedingten massiven Konjunktureinbruchs ist die Zahl der Insolvenzen in Deutschland bislang jedoch nicht gestiegen. Sogar das Gegenteil ist der Fall. Gemäß einer zu Beginn der Woche veröffentlichten Creditreform-Studie verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen Im 1. Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,2 Prozent auf 8.900 Fälle (1. Hj. 2019: 9.690).

Das Insolvenzgeschehen als Seismograph der ökonomischen Entwicklung habe sich damit laut Creditreform von der tatsächlichen Situation der deutschen Unternehmen entkoppelt.

Welche Rechtsformen meldeten am häufigsten Insolvenz an?

Mit 43,6 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen bildete die Gesellschaft mit beschränkter Haftung die größte Gruppe unter den Insolvenzkandidaten. Einzelunternehmen und kleine Gewerbetreibende folgten mit einem Anteil von 35,6 Prozent, der zuletzt rückläufig war (Vorjahreszeitraum: 40,2 Prozent). Auf 12,7 Prozent leicht erhöht hat sich der Anteil der sogenannten „Mini-GmbH“, die Unternehmergesellschaft UG haftungsbeschränkt (Vorjahreszeitraum: 11,9 Prozent). Da der Anteil der UG am gesamten Unternehmensbestand in Deutschland lediglich im einstelligen Prozentbereich liegt, markiert dies eine hohe Insolvenzbetroffenheit dieser Rechtsform.

Warum ist die Lage schlimmer, als Zahlen und Fakten suggerieren?

Der Rückgang der Insolvenzzahlen spiegelt die tatsächliche Wirtschaftskraft deutscher Unternehmen nur unzureichend. Laut Creditreform sind vor allem staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die von der KfW bereitgestellten Kreditmittel, Zuschüsse für Selbstständige und kleine Gewerbetreibende sowie die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dafür verantwortlich, dass bislang kein akuter Anstieg an Firmenpleiten zu beobachten ist und die Insolvenzzahlen weitgehend stabil bleiben. 

Die tatsächlich eingetretene Abnahme der Insolvenzen zeige zwar einerseits deutlich, dass der beabsichtigte Effekt der Corona-Schutzschirmmaßnahmen erreicht wurde und Unternehmen zwischenzeitlich stabilisiert werden konnten, doch die Wirtschaftsforscher vermuten, dass es hier auch unerwünschte Mitnahmeeffekte gegeben haben könnte. Gerettet würden demnach auch Unternehmen, deren wirtschaftliche Lage bereits vor der Krise als höchst prekär einzuschätzen gewesen wäre.  

Inwiefern ein Anstieg der Fallzahlen noch zu erwarten ist, hängt nach Einschätzung der Analysten außerdem davon ab, wann die Insolvenzgerichte in Deutschland wieder ihre volle Arbeitsproduktivität erreichen. Die Maßnahmen des Lockdown haben auch hier seit Mitte März zu erheblichen Bearbeitungsrückständen geführt. 

Creditreform warnt: COVInsAG ist eine riskante Wette für deutsche Unternehmer

Creditreform geht deshalb auch weiterhin davon aus, dass sich mit Auslaufen der bis September 2020 befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die Zahl der Insolvenzverfahren erheblich erhöhen wird. Die Wirtschaftsforscher mahnen:

De facto zahlungsunfähige Unternehmen werden nicht dadurch zu vertrauenswürdigen Geschäftspartnern, dass sie dies nicht auch de jure sind.

Wenn die tatsächliche Insolvenz nicht auch förmlich kenntlich gemacht würde, liefen auch Gläubiger und Lieferanten, die über kein leistungsfähiges und professionelles Kreditmanagement verfügen, Gefahr, Forderungsausfälle zu erleiden. Dies hätte womöglich weitere Anschlussinsolvenzen zur Folge. 

Die Autoren bezeichnen die Ausssetzung der Insolvenzantragspflicht in diesem Zusammenhang als eine Wette auf eine rasche und durchgreifende Erholung der Wirtschaft. Diese als V-Szenario prognostizierte Entwicklung sei die Bedingung dafür, dass Unternehmen in Schwierigkeiten unter dem Schutz der Maßnahmen von COVInsAG ihre Zahlungsprobleme in den Griff bekommen und ihre Zahlungsfähigkeit wiederherstellen könnten. 

Sollte dieser auch von den Wirtschaftsweisen zum Beginn der Krise avisierte Verlauf wirtschaftlicher Erholung allerdings nicht wie prognostiziert eintreten, befürchtet Creditrefom bereits im Herbst eine Insolvenzwelle von bisher nicht gekanntem Ausmaß. 

Quellen-Link: Hier kannst du die vollständige Studie von Creditreform Wirtschaftsforschung downloaden.

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Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.

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