Scheinselbständigkeit: Merkmale, Risiken und Schutz

Scheinselbständigkeit ist ein Begriff, der für Arbeitgeber, Freiberufler und Soloselbständige ein ernstes Risiko darstellt. Aber was ist Scheinselbständigkeit eigentlich? Welche Kriterien gelten dafür? Und was sind die Konsequenzen bei einer Anzeige? Hier findest du Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Scheinselbständigkeit.

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Hand dreht Bausteine mit doppelt lesbarer Aufschrift in englischen Lettern wahr oder falsch.
Scheinselbständigkeit ist auf den ersten Blick oft nicht zu erkennen.

Scheinselbständigkeit als Begriff ist im Arbeitsrecht nur über Umwege definiert. Scheinselbständige sind keine besondere Gruppe der Selbständigen oder Freiberufler. Scheinselbständige sind de facto nach §7 Absatz 4 SGB IV versicherungspflichtige Beschäftigte. Diese Versicherungspflicht wird aber unter dem „falschen Schein“ einer selbständigen Tätigkeit verborgen.

Scheinselbständigkeit als Ordnungswidrigkeit

Scheinselbständigkeit stellt also einen Verstoß gegen das Sozialversicherungsgesetz dar, weil keine Sozialabgaben gezahlt werden. Scheinselbständigkeit ist außerdem ein Verstoß gegen geltendes Steuerrecht, weil keine Lohnsteuern entrichtet werden.

Scheinselbständigkeit wird regelmäßig geprüft

Die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist oft schwierig und kann zu Missverständnissen führen. Die Sozialversicherungsträger und die Finanzbehörden prüfen deshalb regelmäßig, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt.

Die Frage, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht, ist geknüpft an die Definition sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmende. 

Arbeitnehmer ist, wer „auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“ (§ 611a Abs. 1 BGB n.F.) 

Für eine selbstständige Tätigkeit hingegen sprechen der Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen und unternehmerische Chancen wahrgenommen werden z.b. durch Eigenwerbung.

Aus diesen allgemeinen Definitionen hat sich folgender Kriterienkatalog zur Feststellung von Scheinselbständigkeit entwickelt.

Scheinselbständig ist, ...

  1. wer auf Dauer und im Wesentlichen nach Existenzgründung nur für einen Auftraggeber tätig ist.
  2. wer mehr als 5/6 seines gesamten Umsatzes im Wesentlichen nur durch einen Auftraggeber generiert.
  3. wer nicht unternehmerisch am Markt auftritt (keine Marketingmaßnahmen; keine Buchführung).
  4. wer über einen festen zugewiesenen Arbeitsplatz und feste Arbeitszeiten im Auftragsunternehmen verfügt.
  5. wer weisungsgebunden ist.
  6. wessen Auftraggeber dauerhaft andere Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt, die eine ähnliche Tätigkeit verrichten.
  7. wessen vertraglich vereinbartes Honorar sich kaum vom Einkommen eines vergleichbar im Unternehmen Beschäftigten unterscheidet (bei Selbständigen wird unter Voraussetzung der zusätzlich zu leistenden SV-Beiträge eine höhere Vergütung zugrunde gelegt).

Scheinselbständigkeit vs. Arbeitnehmerähnliche Selbständige: ein kleiner Unterschied

Der festgestellte Status der Scheinselbständigkeit ist zu unterscheiden vom arbeitnehmerähnlichen Selbständigen. Dieser gilt als echter Selbständiger mit Einschränkung der Beitragspflicht zur Rentenversicherung.

Arbeitnehmerähnlich ist in diesem Zusammenhang, wer regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI). Letzterer Punkt gilt, wenn mindestens 5/6 des gesamten Umsatzes auf diesen Auftraggeber entfallen.

Bis 2003 galt in Deutschland die „widerlegbare Vermutung“ einer Scheinselbstständigkeit entlang der genannten Kriterien. Bei Erfüllung von 3 von 5 gesetzlich geregelten Merkmalen aus dem Kriterienkatalog war der Gesetzgeber ermächtigt die Scheinselbständigkeit zu „vermuten“. Da es sich beim Nachweis Scheinselbständigkeit – Ja oder nein? um komplizierte Einzelfallprüfungen handelt, ist dieser Passus nicht unerheblich.

Wegfall der Vermutungsregel

Seit dem Wegfall der Vermutungsregel 2003 sind einzig die Behörden in der Beweispflicht. Eine beklagte mangelnde Mitwirkung seitens der Unternehmen darf nicht mehr zu vermuteten Fakten führen. Im Rahmen turnusmäßiger Abrufungen der Deutschen Rentenversicherung und Betriebsprüfungen der Krankenkassen wird auf Scheinselbständigkeit hin untersucht.

Prinzipiell ist der Auftraggeber in der Pflicht zu klären, ob Sozialversicherungspflicht beim Arbeitnehmer vorliegt, denn für abhängig Beschäftigte hat er entsprechend Beiträge zu zahlen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein als Selbstständiger deklarierter tatsächlich als abhängig Beschäftigter im Unternehmen tätig war, muss der Arbeitgeber bis zu vier Jahre rückwirkend sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile aus diesem Beschäftigungsverhältnis abführen (vgl. hier Schutz vor Scheinselbständigkeit).

Um im Falle einer Betriebsprüfung nicht nachträglich unangenehm konfrontiert zu werden, können bereits im Vorfeld seitens der Auftraggeber und/oder Auftragnehmer Maßnahmen ergriffen werden, um festzustellen, ob Scheinselbständigkeit vorliegt.

  • Sozialrecht: mögliche Versicherungs- und Beitragspflicht durch Anfrage an zuständige Krankenkasse klären (§ 28h Abs.2 Satz 1 SGB IV)
  • Steuerrecht: Anrufungsauskunft gemäß § 42e Einkommensteuergesetz (EStG); Arbeitgeber kann sich verbindliche Auskunft beim Finanzamt über die steuerliche Behandlung bestimmter Leistungen einholen
  • Anrufung der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung: diese stellt dann per Statusfeststellungsverfahren rechtsverbindlich fest, ob es sich bei einer Person um einen abhängig Beschäftigten oder einen selbstständig Tätigen handelt. Bevor man dies tut, sollte man sich anwaltlich beraten lassen über die möglichen Konsequenzen der Entscheidung und inwiefern diese beeinflussbar bleibt (Widerspruch).

Erfolgt die rechtsverbindliche Feststellung der Scheinselbständigkeit, so sind Auftragnehmer und Auftraggeber zur Rückführung der Sozialversicherungsbeiträge ab Zeitpunkt des geschlossenen Vertrages und rückwirkend bis zu vier Jahre verpflichtet.

Da der Anspruch auf den Arbeitnehmeranteil nur über den Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden kann und mit §28g Satz 3 SGB IV ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden kann, ist de facto der Arbeitgeber in der Rückzahlungspflicht. Längere Zeiträume der Rückforderungen sind nur zulässig, insofern keine Mitschuld seitens des Arbeitgebers bestand. Eine zumindest fahrlässige Verkennung der Tatsachen wird jedoch immer zugrunde gelegt.

Erfolgt ohne eigene Angabe im Rahmen einer Betriebsprüfung die Feststellung von Scheinselbständigkeit, so ist zudem mit Bußgeldern zu rechnen. Innerhalb der Bandbreite der Tatbestandsfeststellung zwischen „leichtfertigen Steuerverkürzungen“ (Ordnungswidrigkeit) und „Steuerhinterziehung“ (Straftat) muss hier mit Geld- bis hin zu Freiheitsstrafen gerechnet werden.

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