Online-Marketing: Hat das Handwerk ein Imageproblem?
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Marketing im Handwerk: Wie man es am besten (nicht) macht
"Wir polstern deine Alte auf!" Dieses Angebot machte bis vor kurzem noch eine Polsterei aus Stendal in Sachsen-Anhalt. Via Aufsteller und dort unmissverständlich eingerahmt mit einem weiblichen Werbemodel sollte der Slogan offenbar Kunden in den Laden locken. Der Deutsche Werberat erteilte der bewusst-doppeldeutigen Aussage eine Abfuhr und rügte den Handwerksbetrieb öffentlich wegen sexistischer Werbung. Den durchsichtigen Versuch des Unternehmers "klarzustellen", es handle sich hierbei selbstverständlich um die alte Polstergarnitur, erkannte das Gremium nicht an.
Nicht weniger agressiv argumentierte ein Malerfachbetrieb aus dem saarländischen Homburg, der den Slogan "Ich freu mich drauf" neben eine ihre Brüste nur leicht bedeckende Dame auf dem eigenen Firmenfahrzeug platzierte. Der Deutsche Werberat sprach auch hier eine von bereits sechs öffentlichen Rügen aus, die seit Jahresbeginn aufgrund von sexistischer Werbung durch Unternehmen erfolgt sind.
Die Rüge scheint besonders im Handwerk oftmals das letzte Mittel zur Einsicht. Wie der Deutsche Werberat in einem Bericht von DeutscheHandwerksZeitung mitteilt, handele es sich bei den gerügten Firmen verstärkt um kleinere Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebe, die auch von ihrer zuständigen Kammer nicht zum Umdenken bzw. Einlenken motiviert werden können. Die ganz überwiegende Mehrheit der Unternehmen stoppe nach der Intervention der Selbstkontrolleinrichtung allerdings entsprechende Werbemaßnahmen. Nur eine kleine Minderheit müsse gerügt werden.
Hat das Handwerk ein (Image)-Problem?
Dass es auch anders gehen kann, zeigt eine wachsende Anzahl an besonders auf Social Media Plattformen wie Instagram oder TikTok aktiven Influencern, die als Tischlerin, SHK-Meister oder Zimmerer-Betrieb Lust und Werbung für ihr Handwerk machen. Mit ihren Instagram-Stories und YouTube- Videos stärken die Influencer und kleinen Handwerksbetriebe nicht nur ihre Markenreichweite und optimieren die (Neu)Kundengewinnung, sondern gewinnen auch interessierten und fähigen Nachwuchs.
Denn eines ist klar, zwar profitieren viele Handwerksberufe im Zuge der Corona-Krise nicht zuletzt von einem regelrechten Boom im B2C-Geschäft. Bei der Gewinnung neuer Azubis gerät der Markt jedoch regelmäßig ins Stocken. Um als Arbeitgeber unter Nachwuchskräften attraktiv zu wirken, ist ein gepflegtes Instagram Unternehmensprofil und eine TikTok-Marketing-Strategie von großem Vorteil. Auch die Zielgruppe "Familien" als interessierte Neukunden findet sich immer häufiger auf der Video-Plattform ein und bietet neue Hebel für dein Angebotsmarketing.
Die Vorteile von Instagram oder TikTok als Marketing Tool für Unternehmen haben wir uns genauer angeschaut. Worauf du bei Kooperationen mit Influencern achten solltest, liest du in den Influencer Marketing Trends 2021.
Influencer im Handwerk mit kreativen Social-Media-Strategien
In einer regelmäßigen Reihe stellt das Handwerksblatt seit 2020 unterschiedliche Handwerksberufe in der Gestalt medienwirksamer Influencer in den Fokus. Sie zeigen die Bandbreite und Vielfalt aus Gründern und kleinen Handwerksunternehmen, deren clevere Social Media Strategie wesentlich zu ihrem Unternehmenserfolg, aber auch zum Image der durch sie vertretenen Berufszweige beiträgt.
@die.tischlerin Isabelle Vivianne aus Berlin
@die.tischlerin Isabelle Vivianne gehört einer sehr jungen Generation von Handwerksgesellen an, die auch in Zeiten der Corona-Krise und unter erschwerten äußeren Bedingungen kreative Lösungen finden und die Liebe an ihrem Beruf mit einer breiten Öffentlichkeit teilen.
Einmal wurde mir bei der Arbeit an der Kreissäge einfach das Licht ausgemacht.
- Isabelle Vivianne über Erfahrungen in ihrem Ausbildungsbetrieb (Interview in Handwerksblatt)
Die Schwierigkeiten in ihrem eigenen Ausbildungsbetrieb hat Vivianne hinter sich gelassen und konzentriert sich lieber auf den Support der neuen Chefs im Meisterhandwerk von morgen. Als 2020 Corona-bedingt die Ausstellungen von Gesellenstücken vielfach ausfallen mussten oder schlecht organisiert waren, rief @die.tischlerin kurzerhand das "youthcrafts.festival" ins Leben.
Alle Gesellinnen und Gesellen aus dem Tischler- sowie dem Maler- und Lackiererhandwerk, die ihre Ausbildung im Sommer 2020 und im Winter 2020/2021 beendet hatten, waren seither aufgerufen eigene Videos ihrer Abschlussarbeiten für das youthcrafts.festival einzuschicken. Auch die Betriebe, in denen die Gesellenstücke gebaut worden sind, konnten sich bewerben. Ab Mai laden Vivianne und ihre Unterstützer das Material bei Instagram und auf YouTube hoch. Das Festival versammelt einige Sponsoren um sich, so dass die besten Gesellenstücke sogar "richtig geile Preise" gewinnen können.
#zeparmy: Eugen Penner und sein Zimmerer-Team aus Bielefeld
Chef, Social-Media-Manager, Masseur – und Zimmerer. Eugen Penner und sein Team der #zeparmy aus Bielefeld ist vielseitig aufgestellt. Seit 2015 ist die #zeparmy auf Instagram vertreten und postet hier u.a. regelmäßige Mitarbeiterprofile, in denen Teammitglieder in einem einheitlichen Corporate Look vorgestellt werden. Ansonsten fährt Penner seine Baustellen ab, macht Aufnahmen hier und da und überlegt, was man am besten dazu schreiben könnte. ZEB verfolgt damit ganz klare Marketing-Ziele:
Wir wollen die besten Leute kriegen. Handwerklich müssen sie nicht perfekt sein, aber sie müssen Bock darauf haben, bei uns zu arbeiten. (...) Über Instagram erreichen wir aber auch gut den Nachwuchs. Ganze Klassen gucken sich die Beiträge an und kommen dann auf unsere Internetseite.
- Eugen Penner #zeparmy in Handwerksblatt
Neben der Gewinnung fähiger Mitarbeiter und Azubis nutzt ZEB Social Media zur internen Kommunikation mit dem eigenen Follower-Netzwerk aus Bestandskunden und Geschäftspartnern. Inhalt und Gestaltung ihrer Stories dienen der #zeparmy für eine positive Marken- und Imagepflege:
In den Feeds ist es sehr wichtig, gepflegt rüberzukommen und zu zeigen, wie gut und zuverlässig wir arbeiten. Da dürfen wir nicht übertreiben, sondern jeder muss sofort verstehen, was wir damit sagen wollen. Schließlich sehen sich das unsere Bestandskunden, aber auch neue Kunden an.
- #zeparmy
@insta_llateur: SHK-Meister Kristijan Cacic
Der zweifelhafte Ruf, der ihm und seinen Kollegen zuweilen vorauseilt, ist auch dem SHK-Meister und Influencer Kristijan Cacic nicht unbekannt:
Seien wir mal ehrlich: Seit Jahrzehnten ist unser Image kaputt. Dabei gibt es so viele tolle Handwerker, von denen die Kunden und der Nachwuchs aber nichts wissen. Meine Aufgabe ist es, dass wir wieder sichtbarer werden. Dabei können uns die Digitalisierung und die sozialen Medien helfen.
Cacic ist seit 20 Jahren selbstständig und kennt die Schmerzpunkte im Handwerk. Auf die drücke er und nicht selten gehe ein Aufschrei durchs Land:
Völlig ausgeflippt sind die Leute etwa beim Thema "Archie Whole" (Arschloch-Kunden). Das habe ich als kleine Serie auf Instagram gestartet, quasi als Slapstick-Einlage, indem ich die Konflikte mit den Kunden verfilmt und auf Instagram gezeigt habe, und die Aufklärung, wie ich mit der Situation umgehen würde, ausführlicher auf meinem YouTube Kanal erklärt.
- SHK-Meister Kristijan Cacic
Cacic pöble nicht nur rum, sondern unterstütze dadurch gezielt gerade junge Handwerker, damit sie nicht in die gleichen Fallen tappen, wie er selbst noch in seiner Anfangszeit.
#handwerkistgeil: Mehr Azubis für das Handwerk gewinnen
Wer seine eigenen Azubis ins Rampenlicht rücken will, kann dies jedes Jahr auch mit dem Azubi-Award von MyHammer tun. Das Handwerkerportal unterstützt Betriebe bei der Auftragssuche und folgt selbst einem diversen Social Media Marketing Mix. MyHammer nutzt Instagram, YouTube und die Kommunikation mit Hilfe von Influencern. Seine Botschaft verbreitet MyHammer unter dem Hashtag #handwerkistgeil und will damit alle Jugendlichen in der beruflichen Findungsphase, aber auch diejenigen, die bereits im Handwerk arbeiten, mit informativen und unterhaltsamen Inhalten erreichen.
MyHammer und Influencer machen Lust aufs Handwerk mit eigenem Award
Manuela Braun von MyHammer glaubt, dass jeder kleine Handwerksbetrieb guten Content für Instagram oder TikTok verwerten kann:
Jeder Handwerker hat Content, er liegt quasi auf der Straße. Er muss ihn nur aufspüren und aufbereiten. Wenn ein spannendes Projekt ansteht, schießt man ein paar Fotos oder dreht ein kurzes Video. Gerade von Baustellen lassen sich bestimmt sehr lustige TikToks machen.
- Manuela Braun, Social Media Head bei MyHammer im Interview mit Handwerksblatt
Laut Braun hätten ebenfalls besonders diejenigen Unternehmen eine Chance qualifizierte Bewerber auf sich aufmerksam zu machen, die in den sozialen Netzwerken positiv auffielen. Bestes Beispiel hierfür sei die erste Gewinnerin des MyHammer Azubi Awards. Seitdem Madita Brauer auf Instagram als @frauimhandwerk so erfolgreich ist, erhalte der SHK-Betrieb ihres Vaters "unglaublich viele Bewerbungen".
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