Fachkräftemangel wird ein existenzielles Problem
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Fachkräftemangel bis 2030: So ist der Trend
Für die Wirtschaft wird es zunehmend schwerer, Fachkräfte zu rekrutieren. Das zeigt die aktuelle Prognose des Fachkräftemonitorings bis zum Jahr 2026, die das wissenschaftlich unabhängige Konsortium QuBe ("Qualifikation und Beruf in der Zukunft") im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) erstellt hat.
Zentrale Ergebnisse des Fachkräftemonitorings sind:
- Demografische Ursachen des Fachkräftemangels: Die Rekrutierung von Fachkräften wird für die Wirtschaft immer schwerer. Vor allem, weil die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend in den Ruhestand eintreten.
- Mehr als drei Monate für die Bewerbersuche: Im Jahr 2026 wird die Suche der Arbeitgeber in einem knappen Viertel der betrachteten Berufsgruppen länger als 90 Tage dauern.
- Von Fachkräftemangel besonders betroffene Branchen: Zu den Berufsgruppen mit erwarteten Engpässen gehören im Jahr 2026 Berufe, die einen starken Arbeitsplatzaufbau verzeichnen (z.B. Berufe in Informationstechnologie, Erziehung, Gesundheit und Hotellerie) oder einen hohen, demografisch bedingten Ersatzbedarf haben (z.B. Metallbau und Elektrotechnik).
- Fachkräfteengpässe drohen vor allem in Berufen mit hohem Männeranteil (16 Berufe von insgesamt 25 betroffenen): Dies trifft neben der Informationstechnologie auch den Hochbau sowie Handwerksberufe wie Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik sowie Aus- und Trockenbau und Energietechnik.
- Baubranche langfristig betroffen: Die Engpässe in den Bauberufen werden andauern. Ein hoher Ersatzbedarf geht einher mit steigendem Neubedarf aufgrund der anstehenden Bauvorhaben. Engpässe sind vor allem in Tätigkeiten zu erwarten, die mindestens einen beruflichen Abschluss voraussetzen, wozu auch "Bauplanung und -überwachung, Architektur" gehören.
Beim Fachkräftemangel geht es längst nicht mehr nur um Fachkräfte
Im Gespräch mit WELT (nicht barrierefrei) zeichnet Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) ein deutlich düsteres Bild der Situation in deutschen Betrieben:
Der zunehmende Arbeitskräftemangel bringt erste Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, denn ohne ausreichend Personal können Aufträge nicht abgearbeitet und Dienstleistungen nicht erbracht werden.
Betroffen seien laut VID nahezu alle Wirtschaftsbereiche, vor allem aber die personalintensiven Branchen.
Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Man muss sich daher von Geschäftsmodellen verabschieden, die auf die freie Verfügbarkeit vieler preiswerter Arbeitskräfte setzen.
– Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender VDI
Der demographische Wandel werde diese Entwicklung noch beschleunigen:
So schnell und zahlreich, wie Unternehmen in den nächsten Jahren Mitarbeiter verlieren, kann gar nicht nachbesetzt werden.
Fachkräftesicherung: Was plant die Bundesregierung?
Am Mittwoch hat die Bundesregierung erste Pläne zur Fachkräftesicherung auf dem Fachkräftegipfel vorgestellt. Die darin enthaltenen Wege und Maßnahmen waren zuvor mit den Spitzen der Arbeitgeber und Gewerkschaften, Vertreterinnen und Vertretern der Länder, kommunalen Spitzenverbänden und mit der Bundesagentur für Arbeit beraten worden.
Die beteiligten Bundesministerien konzentrieren sich demnach auf fünf zentrale Handlungsfelder zur Fachkräftesicherung:
- Zeitgemäße Ausbildung: Ausbildungsgarantie schaffen; Exzellenzinitiative Berufliche Bildung zum Ausbau der beruflichen Orientierung mit stärkerer Einbindung der Gymnasien; Aufstiegs-BAföG gezielt verbessern; mit der beruflichen Begabtenförderung besondere Talente stärker als bislang fördern
- Gezielte Weiterbildung: u.a. Einführung von „Qualifizierungsgeld“ und „Bildungszeit“
- Arbeitspotenziale wirksamer heben und Erwerbsbeteiligung erhöhen: u.a. durch Wegfall von Hinzuverdienstgrenzen (ab 2023 können Frührentner unbegrenzt hinzuverdienen; durch den Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen ermögliche die Regierung nun dauerhaft, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibel zu gestalten, heißt es dazu aus dem BMAS
- Verbesserung der Arbeitsqualität und Wandel der Arbeitskultur: Flexible Arbeitsmodelle; Vereinbarkeit Familie & Beruf
- Einwanderung modernisieren und Abwanderung reduzieren: modernes Einwanderungsrecht schaffen; Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse für Fachkräfte weiter optimieren; Aus- und Weiterbildung attraktiver machen; inländische Potenziale heben
Was können Unternehmen zur Fachkräftesicherung tun?
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in besonders betroffenen Branchen sollten kontiniuierlich in die „Beschäftigungsfähigkeit“ (Employability) ihres Unternehmens investieren.
Employability Management konzentriert sich auf zwei Bereiche:
- Mitarbeiterförderung: Talente werden gezielt im Betrieb gebunden durch Weiterbildung, dadurch steigt das Kompetenzniveau der Beschäftigten als Individuum und als Gruppe.
- Attraktives Arbeitsumfeld: Durch Mitarbeitende, die ihr Potenzial im Sinn des Unternehmens und zum maximalen Kundenmehrwert optimal entfalten können, profitiert auch die Geschäftsleitung, welche so stets über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden bleibt und als attraktive Arbeitgebermarke nach außen wirkt (Mitarbeitende als Unternehmensbotschafter werden zu Recruitern).
Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität als Arbeits- oder Ausbildungsbetrieb sind u.a.:
- Transparenz (glaubhafte Unternehmenswerte; offene Feedback- und Unternehmenskultur)
- Flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege
- Handlungsspielräume gewährleisten
- Entscheidungsbefugnisse einräumen
- Möglichkeit der Zusammenarbeit über die Grenzen der Fach- und Arbeitsgebiete hinweg
- Flexibilisierung von Arbeitsorten (wo möglich)
- Flexibilisierung von Arbeitsabläufen (wo möglich)
- Betriebliche Altersvorsorge
- Benefits & Sonderleistungen
Fachkräftesicherung: Steh dir nicht selber im Weg
In einem Arbeitnehmermarkt sollten Unternehmen nicht auf sich warten lassen. Nutze digitale Bewerbungsformulare und positioniere dich als Arbeitgeber/-in auch in den sozialen Netzwerken. Binde Mitarbeitende als Botschafter einer positiven Unternehmenskultur mit ein.
Zeig dich wie du bist!
Ein authentisches TikTok-Video oder eine Instagram-Story von deiner Baustelle vermittelt interessierten Bewerbergruppen besonders unter jüngeren Zielgruppen einen echten Einblick in deinen Betriebsalltag. Sei kreativ und nutze unterschiedliche Formate und Plattformen, um eine Stellen- oder Ausbildungsbeschreibung zu verbreiten und vor allem...
Bleibe am Ball!
Reagiere auf Bewerberanfragen zeitnah. Laut einer Umfrage des Jobportals Stepstone erhalten interessierte Bewerber/-innen selbst 45 Tage nach Versand ihrer Unterlagen häufig noch keine qualifizierte Rückmeldung. Die Ergebnisse beruhen auf einer weltweit durchgeführten Erhebung unter mehr als 100.000 Bewerberinnen und Bewerber, die zum Verlauf ihres Bewerbungsprozesses befragt wurden. In Deutschland nahmen mehr als 20.000 Kandidaten an der Befragung teil.
Gut ein Drittel aller Bewerber verzichtet auf ein Jobangebot
Ließen sich Unternehmen zu viel Zeit mit der Auswahl geeigneter Fachkräfte, verzichteten gut ein Drittel aller Bewerber lieber ganz auf das Jobangebot.
Im Wettbewerb um die besten Talente müssen Unternehmen schnell sein. Wer Wochen braucht, um auf eine Bewerbung zu reagieren, braucht sich nicht über Personalengpässe zu beschweren.
– Sebastian Dettmers, CEO bei Stepstone
Die Zeit drängt: Fachkräftemangel & Demografischer Wandel
Die fünf größten Volkswirtschaften der Welt, die USA, China, Japan, Deutschland und Großbritannien, werden laut den Prognosen der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 13 % ihrer Erwerbsbevölkerung verlieren – mehr als 168 Millionen Menschen. Gleichzeitig wird die Gruppe der Rentner immer größer und in den fünf größten Volkswirtschaften bis zum Jahr 2050 um 71 % wachsen.
Fachkräftesicherung duldet keinen Aufschub
Der Blick nach Deutschland zeigt, dass die Entwicklung hierzulande besonders gravierend ist. Allein bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird unsere Erwerbsbevölkerung um 3,7 Millionen Menschen schrumpfen – mehr als alle Einwohner Berlins. (Quelle: Stepstone)
So schnell schrumpft die Erwerbsbevölkerung © Stepstone
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