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Tanktourismus führt in Grenzregionen zu Umsatzeinbußen

In vielen deutschen Grenzregionen kämpfen immer mehr Tankstellen infolge der Billigkonkurrenz in den Nachbarländern ums Überleben. Die Situation vor allem an der Grenze zu Tschechien sei aufgrund des Tanktourismus dramatisch, sagte der Geschäftsführer des Fachverbands des Tankstellengewerbes Mitteldeutschland, Jochen Wilhelm.

Dresden (ddp). In vielen deutschen Grenzregionen kämpfen immer mehr Tankstellen infolge der Billigkonkurrenz in den Nachbarländern ums Überleben. Die Situation vor allem an der Grenze zu Tschechien sei aufgrund des Tanktourismus dramatisch, sagte der Geschäftsführer des Fachverbands des Tankstellengewerbes Mitteldeutschland, Jochen Wilhelm. «In der Grenzregion haben wir massive Umsatzeinbußen von über 50 Prozent», fügte er hinzu. Folgen seien Betriebsschließungen und Stellenabbau. Auch entlang der Grenze zu Polen, Österreich, Luxemburg und Belgien bricht Expertenangaben zufolge die Kundschaft weg.

Wie viele sächsische Tankstellen seit der EU-Erweiterung 2004 aufgrund des Tanktourismus aufgaben, darüber führen weder der Fachverband noch das Dresdner Wirtschaftsministerium eine Statistik. Ein Ministeriumssprecher sprach von einer «Grauzone». Selbst die Gesamtzahl der Betriebe lasse sich nicht beziffern, wie auch der Energieinformationsdienst in Hamburg bestätigte.

Die Preisdifferenz zu Tschechien betrage derzeit etwa 20 bis 30 Cent pro Liter, erläuterte Fachverbandschef Wilhelm. Er fügte hinzu: «Für Autobesitzer lohnt es sich bei einer Entfernung zur Grenze von 30 bis 50 Kilometern, zum Tanken nach Tschechien zu fahren.»

In Sachsen legte der Preis für Normalbenzin, Super und Diesel nach Angaben des Statistischen Landesamts zwischen Januar 2000 und Juni 2009 um über 40 Prozent zu. Der Dieselpreis stieg demnach um rund 45 Prozent, Super wurde um knapp 42 Prozent teurer, Normalbenzin um fast 46 Prozent.

Hinzu komme, dass in den deutschen Tankshops auch nicht mehr eingekauft werde, betonte Wilhelm. «Auf dem Weg zur Tankstelle nehmen die Leute in den Nachbarländern außerdem noch viele weitere Dienstleistungen in Anspruch», fügte er hinzu.

Expertenschätzungen zufolge gehen dem deutschen Fiskus durch die Tanktouristen etwa 3,4 Milliarden Euro pro Jahr verloren. Aufgrund seiner hohen Steuern liegt Deutschland bei den Spritpreisen EU-weit auf Platz 23, wie Wilhelm betonte. Der Fachverband plädiere deshalb für die Abschaffung der Ökosteuer: «Es sind genau die 15 Cent Ökosteuer pro Liter, die die Grenzregionen in Schwierigkeiten bringen.» Die Mineralölsteuer europaweit anzugleichen, hält Wilhelm für nicht durchsetzbar. Es sei fraglich, ob andere Länder ihre Preise dem hohen deutschen Niveau angleichen wollten.

In Bayern mussten nach Angaben des regionalen Tankstellenverbands in den vergangenen zehn Jahren 800 Tankstellen schließen. Dort unternehmen Autobesitzer bis zu 100 Kilometer weite Fahrten nach Österreich, um dort das bis zu 30 Cent pro Liter billigere Benzin zu tanken.

In Rheinland-Pfalz gaben in den vergangenen drei Jahren entlang der Grenzen zu Luxemburg und Belgien rund 70 Tankstellen auf, wie der regionale Verband des Kfz-Gewerbes feststellte. In Luxemburg liegen demnach die Literpreise für Benzin und Diesel zwischen 15 und 30 Cent unter deutschem Niveau. In Belgien sei der Preisunterschied nicht ganz so drastisch.

(ddp)

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